Die Geschichte der Macht ist in erster Linie eine Geschichte männlicher Herrschaft. Dass der Mann bestimmte, dominiert bis heute unsere Sprache und unsere Beziehungen. Auch Architektur und Kunst folgten lange männlichen Vorstellungen. Erst wenn aus ganz unterschiedlichen Umständen heraus, Frauen Macht innehatten, wurden Veränderungen und Anpassungen an neue Gegebenheiten und Wünsche notwendig. Schließlich wurde Macht nicht nur ausgeübt, sondern präsentierte sich in Kleidung, Wohnarchitektur, Gärten, Denkmälern und in Zeremonien.
Als Maria Theresia 1740 als erste und einzige Herrscherin der habsburgischen Erblande die Macht übernahm, erforderte diese Regentschaft einer Frau eine Anpassung des Herrschaftszeremoniells. Was sich damit im Zeremoniell und in den Raumfolgen der Wiener Hofburg sowie den Schlössern Schönbrunn, Laxenburg, Holitsch und Hof veränderte, analysiert Marina Beck in ihrer Dissertation auf 580 Seiten und illustriert mit zahlreichen historischen Abbildungen, Grafiken, Grundrissen und Zeichnungen.
Das Erkenntnisinteresse der Autorin konzentriert sich darauf zu erforschen, inwiefern sich die Nutzung der Räume von denen der männlichen Vorgänger unterschied, welche Schlösser Maria Theresia bevorzugte und ob anhand der von Maria Theresia beauftragten Umbauten sich die weibliche Herrschaft ablesen lässt. Davon geleitet, untersucht Marina Beck Funktion, Nutzung und Bedeutung der genannten Schlösser in vergleichender Weise. Was unterscheidet also Residenz, Jagd- oder Lustschlösser voneinander?
In ihrer Untersuchung greift sie nicht allein auf bisherige Forschungen zurück, sondern erschließt weitere Quellen und bietet für einige Schlösser zum ersten Mal eine detaillierte Darstellung dieser Art. Als wichtige Basis ihrer Untersuchungen dienen ihr etwa die überlieferten Zeremonialprotokolle und -akten des Haus-, Hof- und Staatsarchives aus der vierzigjährigen Herrschaft Maria Theresias und die Tagebücher ihres Oberhofmeisters Khevenhüller-Metsch. Vergleichend zieht die Autorin weiteres Quellenmaterial hinzu, wie das Wiener Diarium, Hofstaatskalender und Planmaterial. Indem Marina Beck ebenfalls danach fragt, wie oft sich Maria Theresia oder ihr Mann Franz Stephan im jeweiligen Schloss aufhielten, beleuchtet sie kritisch den touristisch gerne verwandten Begriff vom bevorzugten Lieblingsschloss.
Die Autorin erweist sich als profunde Kennerin der Residenzenforschung. Ihre Studie zur Bau- und Funktionsgeschichte ist aufschlussreich und schafft durch das erschlossene Quellenmaterial wie die Analyse wichtige Grundlagen für weitere Arbeiten. Durch die detaillierten Beschreibungen ausgewählter zeremonieller Ereignisse, wie Hochzeiten, Taufen, Botschafterempfänge oder Beerdigungen werden die räumlich erfassten Wirkungen von Herrschaft kenntnisreich erläutert. Es ist spannend zu lesen, wie unmittelbar sich Herrschaft im 18. Jahrhundert nicht allein im Prunk der Schlossbauten, im Mobiliar und den Kunstwerken, sondern auch in Raumfolgen, in der Anordnung der Gäste bei Tisch oder in der Farbsymbolik während der Audienzen ausdrückte. Dankenswerter Weise zitiert die Autorin in den Anmerkungen umfangreich das benutzte Quellenmaterial, das für den interessierten Leser viele weitere historische Zusammenhänge vermittelt. Nicht zuletzt ist die klassisch elegante Gestaltung dieses Bandes erwähnenswert, der allein schon durch das Cover das Interesse am Thema weckt.
Marina Beck
Macht-Räume Maria Theresias
Funktion und Zeremoniell in ihren Residenzen, Jagd- und Lustschlössern
Kunstwissenschaftliche Studien Band 189
580 Seiten mit 80 farbigen und 180 schwarzweißen Abbildungen, 21 x 28 cm, Hardcover
ISBN: 978-3-422-07384-5
98,00 € (D)
Herzlichen Dank an den Deutschen Kunstverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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