Opernfreunde und Gartenliebhaber kennen und verehren sie gleichermaßen: Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Sie selbst hat in ihren Memoiren ihr Leben, zumindest einen Teil davon, dargestellt – und seither ist viel über sie geschrieben worden. In diesem Jahr, dem Jahr der Wiedereröffnung des Bayreuther Opernhauses – sicher eine der bekanntesten Schöpfungen der klugen und musisch talentierten Fürstin -, widmet Günter Berger ihr eine neue Biografie.
Die im Juli 1709 geborene Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen sollte nach dem Willen ihrer königlichen Mutter, einer Welfenprinzessin, ihren zwei Jahre älteren Cousin, Prinz Friedrich Ludwig von Hannover, heiraten. So wäre sie einst Königin von England geworden. Leider funktionierte der Plan nicht und Wilhelmine musste den Erbprinzen von Bayreuth ehelichen.
Ihre Mutter konnte nicht ahnen, dass der englische Heiratskandidat nie König geworden wäre. Er verstarb noch vor seinem Vater. Es ist zu bezweifeln, ob Wilhelmine als Witwe am englischen Hof hätte so wirken können, wie sie es in Bayreuth vermochte. Über die Stadtgrenzen hinaus ist sie bekannt und hat kulturwissenschaftlich fraglos Spuren hinterlassen.
Günter Berger ist diesen Spuren kritisch gefolgt und hat ein spannendes Buch geschrieben, das hinsichtlich der vielfachen Talente der Markgräfin ein interessantes Porträt zeichnet. Denn Günter Berger ist in der Tat ein Fachmann in Sachen Markgräfin. Bis 2012 lehrte er als Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Uni Bayreuth. Bekannt ist er seit Langem als Autor zahlreicher Publikationen zur französischen Kultur und Literatur der Aufklärung. Darüber hinaus veröffentlichte er ausgewählte Briefe zwischen König Friedrich II. und Wilhelmine sowie die Memoiren der Markgräfin.
Dass er Kenntnisse zum Leben, Denken und Handeln der Markgräfin in sorgfältigen Quellenrecherchen erworben hat, zeigt sich bereits auf den ersten Blick. Er beachtet zwar die Chronologie, erfasst und stellt die Handlungsweisen seiner Protagonistin jedoch vor einem thematisch gegliederten Hintergrund dar, unterteilt etwa in „Feste Feiern“, „Bauen“, „Handeln“, „Schreiben“, „Denken“. Das ermöglicht dem Leser, sich der historischen Persönlichkeit in spezifischen Handlungs- und Kommunikationszusammenhängen zu nähern. Auch die klare Sprache, die der versierte Autor nutzt, um sein tiefes Wissen zu vermitteln, erleichtert den Zugang zur Fürstin und ihrer Zeit.
Der Autor fokussiert sich, zeichnet kritisch das Bild einer Frau, die unter den Umständen ihres Zeitalters und den sozialen Gegebenheiten höfischen Lebens ihren Weg gesucht hat. Sie war klug, kreativ und sich zugleich bewusst, dass auch ihre Möglichkeiten trotz Reichtum und Stellung begrenzt waren. Gut, vielleicht nicht in jedem Moment ihres Lebens. Aber gerade das motivierte sie, wie sich hier zeigt, das Spiel mitzuspielen und in ihrer Rolle als Fürstin, Diplomatin, Philosophin, Künstlerin zu brillieren. Wäre sie ansonsten nicht längst vergessen? Die preußische Geschichtsschreibung machte sie zur Lieblingsschwester Friedrichs II., ein Beiname, der sie ehren sollte, sie stattdessen eher zum Anhängsel des Bruders, zur Bewunderin reduzierte. Fürstin und Frau zu sein, ließ sich eben nicht trennen. Günter Berger schaut hinter den Vorhang festgelegter Sichtweisen und Interpretationen. Zum Vorschein kommt da so manches, was das Interesse an dieser gebildeten Frau steigert.
Dieses Buch liest sich einfach gut, denn es verklärt und beschönigt nicht, räumt an verschiedenen Stellen mit Irrtümern und Klischees auf. Günter Berger ist es gelungen, ein Buch für interessierte Leser zu schreiben, das wissenschaftliche Erkenntnisse in lesbarer Form präsentiert. Gerade richtig fürs Reisegepäck nach Bayreuth. Schließlich sollte man sich die renovierte Oper der Markgräfin unbedingt anschauen.
Günter Berger
Wilhelmine von Bayreuth
Leben heißt eine Rolle spielen
ISBN/EAN: 9783791728209
248 Seiten, gebundenes Buch
Verlag Pustet Regensburg
Herzlichen Dank an den Pustet Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.