Fürstin Louise von Anhalt-Dessau begegnete der Malerin Angelika Kauffmann (1741–1807) zum ersten Mal in London, als sie zusammen mit ihrem Mann Fürst Leopold III. Friedrich Franz 1775 England bereiste. Da war die in der Schweiz geborene Angelika Kauffmann schon eine Berühmtheit, deren Talent früh erkannt und gefördert worden war. Sie hatte ihre Fähigkeiten an der Seite ihres Vaters in Italien im Studium der Antike und der Renaissance ausbilden können, war mit dem englischen Maler und ersten Präsidenten der Royal Academy of Arts, Sir Joshua Reynolds, befreundet und gehörte selbst als eine von zwei Malerinnen zu den Gründungsmitgliedern eben jener 1768 gegründeten Academy.
Zwei Jahrzehnte später trafen sich die Fürstin und die Malerin in Rom wieder, wo die Kauffmann inzwischen lebte, ein vom europäischen Hochadel wie Geistesgrößen regelmäßig besuchtes Atelier führte und am geselligen Leben in der ewigen Stadt teilnahm. Als „schöne Seele“ verband sie eine Freundschaft mit Goethe, der sie verehrte und schätzte. Als Malerin erfolgreich und als Frau bewundert – Angelika Kauffmann hatte in dieser historischen Epoche, die von der tradierten Ungleichheit der Frau bestimmt war, Außerordentliches erreicht. Fürstin Louise bereiste zu dieser Zeit als Mitvierzigerin ohne ihren Mann und auf eigene Kosten Italien. Voller Bildungshunger und Neugier auf die Welt war das ungewöhnlich genug und mag für die Fürstin umso mehr Anlass gewesen sein, Angelika Kauffmanns Atelier zu besuchen, sich von ihr malen zu lassen und das bereits vollendete Gemälde „Amor und Psyche“ zu erwerben.
Wenn Angelika Kauffmann ihr Leben insbesondere in London und Rom verbracht hatte, begann ihre Karriere in Vorarlberg, dem Heimatland ihres Vaters, und sie blieb dieser Heimat tief verbunden. Es war wohl ein „Sehnsuchtsort“ der Künstlerin, (S. 15) wie die versierte Kauffmann-Kennerin Bettina Baumgärtel schreibt. Die Malerin unterstützte in Vorarlberg lebende Familienmitglieder ebenso wie Arme und wünschte nichts mehr, als das gerade dort, ihre Kunst zu sehen sei. Wie im Einzelnen der Weg verschiedener Kunstwerke nach Vorarlberg führte, schildert Bettina Baumgärtel spannend wie einen Kunstkrimi in diesem Katalogband, der parallel zur der diesjährigen Ausstellung im „Haus der Fürstin“ in Wörlitz und der im kommenden Jahr in Vorarlberg gezeigten Ausstellung erschien.
In weiteren Beiträgen nähern sich die Autoren des Bandes der Malerin und ebenso beleuchten die umfangreichen Erläuterungen im Katalogteil Leben und Wirken Angelika Kauffmanns. Die Leserinnen und Leser werden staunen, wie gründlich und weitgefächert die 150 Objekte, bestehend aus Gemälden, Grafiken, Skulpturen und Lebensdokumenten, vom Schaffen dieser Frau innerhalb der gesellschaftlich-sozialen Ordnung Auskunft geben und gleichfalls von Drucktechniken, Reisepraktiken oder Grenzüberschreitungen berichten. Dieser Band ist weit mehr als ein Werk der Kunstgeschichte, sondern präsentiert europäische Kulturgeschichte am Beispiel einer großen Malerin und Frau. Wahrlich ein „Schatz“.
Angelika Kauffmann
Unbekannte Schätze
Hg. Bettina Baumgärtel für die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz
Beiträge von B. Baumgärtel, I. M. Holubec, W. Savelsberg
304 Seiten, 243 Abbildungen in Farbe
22 x 28,5 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-3084-3
Präsentation der Ausstellung:
Oranienbaum-Wörlitz | Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Graues Haus (Haus der Fürstin)
07.07.2018 – 21.10.2018
Bregenz | Vorarlberg Museum
15.06.2019 – 06.10.2019
Herzlichen Dank an den Hirmer Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.