Da ist ein junger König, der verwirrt ist, seine Frau, verunsichert und sich einsam fühlend – und plötzlich taucht ein Mann am Hofe auf, dem nichts Menschliches fremd ist, der genau hinsieht und ausspricht, was er erkennt: Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit und Gier. Er ist Armenarzt und Aufklärer. Diese drei Menschen verbinden sich auf ganz und gar unglaubliche Weise, doch letztlich führen ihre Wege weit auseinander. Irgendwann tauchen Dokumente auf, Aufzeichnungen des wahnsinnigen Königs, Innensichten seiner Handlungen, die erstaunlich klarsichtig wirken. Sind sie echt? Sind sie erfunden?
Als Leser taucht man unglaublich schnell in die Geschichte ein, die um den Monarchen des Doppelkönigreichs Dänemark-Norwegen, Christian VII., kreist, der 1766 den Thron bestieg und mit Prinzessin Caroline Mathilde von Großbritannien verheiratet war. Dabei kann man kaum glauben, dass sich diese dramatische Dreiecksgeschichte zwischen dem Königspaar und dem deutschen Arzt Johann Friedrich Struensee wirklich zugetragen hat. In der Tat ist das, was Dario Fo hier erzählt, unglaublich und unvorstellbar. Noch bevor die Französische Revolution alte Gewissheiten und Machtverhältnisse blutig zerschlug, veränderte sich Grundlegendes in den Herrschaftsmechanismen des dänischen Königtums. Da verwandeln die Erlasse der Presse- und Meinungsfreiheit, die Abschaffung der Folter und der Kirchenbuße Dänemark in einen der fortschrittlichsten Staaten der Zeit – zumindest für einen Moment der Zeitgeschichte, den Struensee auf brutale Weise mit dem Leben bezahlen musste und der für Caroline Mathilde als geschiedene und verbannte Frau in Celle bereits in jungen Jahren durch einen einsamen Tod endete.
Diesen Moment greift Dario Fo auf, neugierig, enthusiastisch und voller Ironie. War es so oder anders, fragt sich der Leser verblüfft und folgt den bis ins Groteske übersteigernten Ereignissen. Dass der begnadete Erzähler Schauspieler, Regisseur und Theaterautor war, ist in jeder Szene erkennbar. Die Unmittelbarkeit des Geschehens, gesteigert durch die fantastischen Überzeichnungen, vermittelt nicht nur ein Stück realer Geschichte auf spannende Art, sondern unterhält den Leser ebenso.
Gerade die Fiktion, etwa in der Präsentation der aufgefundenen Dokumente oder im Erschaffen märchenhafter Sentenzen, erwecken die Figuren zum Leben. Schließlich versammeln sich in diesem kurzweiligen Roman Darstellungen realer Personen neben erfundenen Figuren. Indem Dario Fo die Lücken füllt und das vorhandene Quellenmaterial leichtfüßig ergänzt, entsteht Spannung und ein Erzählfluss, der mitreißt und uns Nachgeborene erschrecken, teils erschaudern lässt. Ein packender Roman, wie ein Bühnenstück im Kopf!
Christian VII. – Ein Narr auf dem Thron von Dänemark
Dario Fo
Übersetzt aus dem Italienischen von Johanna Borek
Wien: Hollitzer Verlag 2019
200 S., Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-99012-440-6 (hbk)
ISBN 978-3-99012-441-3 (epub)