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Buchtipp: Scharfsichtige Frauen. Fotografinnen in Paris

Der Erste Weltkrieg hatte eine Ordnung zerstört – und sollte eine neue erschaffen, in der immer mehr Frauen begannen, ihren Platz in der Welt selbst zu definieren. Dass diese Veränderung nicht über Nacht vonstattenging, ist nicht anzuzweifeln. Was aus der Rückschau manchmal recht leicht und folgerichtig erscheint, war in der Realität der Zeit alles andere als unkompliziert und einfach. Was wir Nachgeborenen oft vor Augen haben, sind schwarz-weiß Fotografien dieser Zeit, die sich auf unlösbare Weise mit der Vorstellung dieser noch gar nicht so weit zurückliegenden Vergangenheit verbunden haben. Dabei war die Fotografie ein junges Medium, ermutigte zu Experimenten, kannte kaum Vorbilder, konkurrierte für manchen mit der Malerei und verlieh der Kunst nichtsdestotrotz ganz neue Impulse.

Ein Medium, wie geschaffen für Frauen, die ihren Weg suchten. Dazu Paris, diese Stadt, die wie magnetisch Künstler, Intellektuelle und Abenteurer anzog und nun einer Reihe von mutigen Frauen Chancen bot, sich zu entwickeln, sich auszuprobieren. Diese Metropole mit Flair und liberalem Geist wurde zur Geburtsstätte von Surrealismus, Dada, Expressionismus und Konstruktivismus und war ebenso wie geschaffen für die Entwicklung der Fotografie. Unter den Fotokünstlern, die in Paris lebten und die Stadt und ihre Bewohner porträtierten, waren zahlreiche Frauen. Manche Namen sind bis heute bekannt, andere vergessen.

Unda Hörner erzählt in ihrem Buch „Scharfsichtige Frauen. Fotografinnen in Paris“ von diesen Frauen, die sich als Fotokünstlerinnen im Paris der 1920er und 1930er Jahre einen Namen machten und als Frauen etwas wagten, das die Vorstellung von den Möglichkeiten auf immer verändern sollte. So unterschiedlich ihre Biografien, so verschieden ihr künstlerischer Ausdruck, gemeinsam ist jenen Frauen der Mut zur Freiheit des eigenen Weges. Da ist etwa die Amerikanerin Berenice Abbot, die als Bildhauerin nach Paris kam und Assistentin in Man Rays Fotolabor wurde oder Lee Miller, ebenfalls aus Amerika stammend, wo sie erfolgreich als Model gearbeitet hatte. In Paris wurde sie nachfolgend zu Abbot die Assistentin von Man Ray, dann sein Modell und seine Geliebte bis sie ihr eigenes Fotoatelier eröffnete. Frauen wie Florence Henri, Ré Soupault, Marianne Breslauer, um nur einige zu nennen, folgt die Autorin auf ihren Wegen nach und durch Paris. Sie schufen Fotoporträts der Mächtigen und Klugen, der künstlerischen und literarischen Avantgarde von Paris, Fotoreportagen oder Werbefotografien und erschlossen somit den Frauen Möglichkeiten beruflicher Selbstständigkeit wie persönlicher Unabhängigkeit.

Unda Hörner erzählt ihre Geschichte mit so viel Sachkenntnis und Feinfühligkeit, wertschätzt ihren Mut und ihre Leistungen und verschweigt dabei keineswegs Rückschläge und Niederlagen. Unda Hörners biografische Skizzen sind ein großartiges Zeugnis für Frauen, die als Künstlerinnen und Persönlichkeiten am Beginn einer neuen Art des Zusammenlebens zwischen den Geschlechtern stehen. Die Geschichte der Fotografie ist ohne diese Pionierinnen des jungen Mediums nicht zu schreiben, genauso wenig wie die Geschichte der Stadt Paris, die mit ihren Licht- und Schattenseiten von jenen Frauen fotografisch verewigt wurde.

Unda Hörner
Scharfsichtige Frauen
Fotografinnen in Paris
Hardcover, Fadenbindung
Einband: Halbleinen
144 Seiten
Reihe: blue notes 89
Edition eberbach & simon
ISBN 978-3-86915-188-5

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