Für 2021 wurde vom Kuratorium Wald in Österreich die Linde zum “Baum des Jahres” gewählt, genau genommen die Sommer- und Winterlinde. Ein Baum, der seit alter Zeit große Bedeutung für uns Menschen hat und in Mythen, Liedern, Gedichten, aber auch in der Rechtsentwicklung und der Kulturgeschichte eine besondere Rolle spielt.
Obwohl die Linde mit dem Weiblichen verbunden war – und so etwa zu einem Attribut der Liebesgöttin Freyja wurde -, war es ein Lindenblatt, das dem mythischen Helden Siegfried zum Verhängnis wurde. Nachdem Siegfried den Drachen erschlagen hatte und in dessen Blut badete, um unverwundbar zu werden, fiel ihm ein Lindenblatt auf den Rücken. Es bedeckte ein winziges Stück seiner Haut, sodass der Held hier verletzbar wurde. Fataler Weise vertraute er sein Geheimnis seiner Frau Kriemhild, die, um ihn zu schützen, dieses mit dem hinterlistigen Hagen von Tronje teilte. Der nutzte sein Wissen, um sich – natürlich nur zum Wohle seines Königs – des Helden zu entledigen. Ein Lanzenstich in die besagte Hautpartie genügte.
Wenn im Nibelungenlied das Schicksal der Beteiligten auf so dramatische Weise mit der Linde verwoben war, so galt die Linde doch über die Jahrhunderte hinweg als ein Baum, der Liebende und Sehnende unter seine Krone lockte. So saß Walter von der Vogelweide mit seiner Liebsten unter ihr und Heinrich Heine erklärt warum sie so anziehend sei, wenn er dichtete:
“Sieh dies Lindenblatt!
Du wirst es
Wie ein Herz gestaltet finden,
Darum sitzen die Verliebten
Auch am Liebsten unter Linden.”
Die Linde galt als weich und zart, zärtlich und süß, weiblich und lind. So heißt es in einem Kräuterbuch des 16. Jahrhunderts, der Name für den Baum solle von seiner Lindigkeit abgeleitet sein.
Da ist es nicht weit zum Lindenbaum am Brunnen vor dem Tore, einem Gedicht, das Franz Schubert vertonte und das als beliebtes Volkslied bis heute eine sehnsuchtsvolle Stimmung erzeugt.
Linden standen auf vielen Dorfplätzen, waren Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens, in ihren Kronen tanzten Jung und Alt, unter ihrem Blätterdach wurde Recht gesprochen, im Gasthof “Zur Linde” kehrten Wanderer und Einheimische ein. Das Blatt einer Linde oder der Baum selbst galten als Zeichen des Friedens, der Treue und der Gerechtigkeit. So schrieb Martin Luther einst: “Denn unter der Linde pflegen wir zu trinken, tanzen, fröhlich sein, denn die Linde ist unser Friede- und Freudenbaum.”
Die herzförmigen Blätter und der süße Duft sind wohl auch ein guter Verweis auf die heilkräftige Wirkung des Baumes, dessen Blüten die Bienen lieben. Lindenblütenhonig und Lindenblütentee kennen die meisten sicher seit Kindertagen, wenn sie mit Halsweh und Fieber das Bett hüten mussten. Ein kindliches Vergnügen war auch das Haschen der durch die Luft tanzenden Lindenblüten mit ihren Samen, die der Wind erfasst und weit davon tragen kann – übrigens eine wunderbare Strategie dieser “Nestflüchter”, die so zu Pionierbäumen auf entlegenen Fluren werden können.
Welcher Baum könnte mit all diesen wunderbaren symbolischen Verknüpfungen und botanischen Eigenschaften geeigneter sein, das Jahr 2021 mit all seinen großen Hoffnungen und Wünschen besser zu verkörpern. Warum nicht eine schnittverträgliche Linde als Hausbaum pflanzen oder eine Patenschaft übernehmen?