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Buchtipp: Am Horizont der Meere. Gala Dalí

Was bedeutet es, die Muse eines Künstlers zu sein? Wird eine Muse erschaffen, gebildet oder entwickelt sie sich? Unda Hörner folgt in ihrem neuen Roman mit dem Titel „Am Horizont der Meere“ – einer (ins Deutsche übersetzten) Zeile aus Paul Èluards Gedichtzyklus „Capitale de la Douleur“ – dem Leben von Gala Dalí, einer jener großen Musen des 20. Jahrhunderts. Wobei sich die Autorin auf genau diesen schwierig zu erfassenden Entwicklungsprozess konzentriert, indem aus der jungen Helena Diakonova aus Moskau zunächst die vergötterte Ehefrau des surrealistischen Lyrikers Paul Éluard und schließlich die untrennbar mit Salvador Dalí verbundene Gala wird.

Dabei gelingt es der psychologisch versierten Autorin, die durch ihre langjährige, intensive Beschäftigung mit der Kunst der Surrealisten, der Frauenbewegung wie der Literaturgeschichte auf sehr einfühlsame Art eine Frau zu charakterisieren, die „gesehen werden will“. Dieses „gesehen-werden-wollen“, dieses etwas aus eigenerer Kraft zu erschaffen, das die Öffentlichkeit wahrnimmt, schätzt und über das eigene Leben hinweg Wertschätzung erfährt, das treibt jene junge Russin an. Als Leser findet man sich nach wenigen Seiten mitten auf der Suche der Protagonistin nach ihrem Weg, sich von den bürgerlichen Einschränkungen zu befreien, zugleich in Liebe und Leidenschaft sich selbst zu erfahren und trotzdem eine unabhängige Form für ihr selbstbewusstes Sein zu erleben. Dass dieser Lebensweg so kompliziert wie spannend ist, hat Unda Hörner gereizt, sich tiefgründig mit all den überlieferten Quellen, Briefen und Darstellungen zu beschäftigten.

Dass die Autorin sich in ihrer Darstellung für die Form des Romans entschieden hat, vermittelt dem Leser auf sehr unmittelbare Weise eine Nähe, die der Dringlichkeit, Lebhaftigkeit und Kraft dieser faszinierenden, außergewöhnlichen Frau entspricht. Zugleich werden ihre Widersprüche, ihre oft schwer einzuordnenden Entscheidungen in der von Umbrüchen und Kämpfen des 20. Jahrhunderts gekennzeichneten Welt weitaus fassbarer. Wer Unda Hörners fachkundige, lehrreich und unterhaltsam geschriebenen Sachbücher schätzt, wird mit Interesse und Freude ihre Romanbiografie lesen. Trotz aller Freiheit der Erzählung, so meint Unda Hörner, „konnte ich nun aber plastischer darstellen, was mich an Gala faszinierte“.
Zweifellos, das ist der Autorin gelungen. Denn lesend begibt man sich auf die Spuren dieser ungewöhnlichen Frau, sodass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, blickt vom Zimmer im Luftkurort Davos aus auf die Schweizer Berge, lauscht den Gesprächen der Surrealisten, flaniert durch Paris, stürzt sich in den Großstadttrubel Berlins und wartet gespannt darauf, wann Gala nun endlich dem jungen Dalí begegnet. Spätestens jetzt verwandelt sich der Roman in ein Reisebuch, das dazu inspiriert, Galas Lebensstationen ebenso aufzusuchen wie sich mit den künstlerischen Ausdrucksformen des ein Leben lang sie liebenden Dichters Paul Éluard, des Malers Max Ernst und natürlich denen von Salvador Dalí zu beschäftigen.

Unda Hörner
Am Horizont der Meere
Gala Dalí
Roman
ISBN 978-3-86915-189-2
Verlag Ebersbach & Simon

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