Unter dem Motto „ANTOINE WATTEAU. Kunst – Markt – Gewerbe“ präsentiert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten im Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg in Berlin noch bis zum 09.01. 2022 die Sonderausstellung zu einem der berühmtesten Ladenschilder des 18. Jahrhunderts, das symbolhaft den Kunstmarkt einer ganzen Epoche reflektiert. Diese Schau ehrt die 2021 begangene 300. Wiederkehr des Todestages des französischen Malers Antoine Watteau (1684-1721). Bereits zu Lebzeiten war er ein von seinen Zeitgenossen gefeierter Künstler. Seine Werke waren und sind begehrte Sammlungsobjekte. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg besitzt nach dem Pariser Louvre die bedeutendste Gemäldesammlung Watteaus.
Im Fokus dieser Sonderausstellung steht eines der Hauptwerke Watteaus, bekannt als das „Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint“, eine „Szene voller Anmut, Eleganz und kultivierter Geschäftigkeit“. Der preußische König Friedrich II. (1712-1786) hatte dieses Meisterwerk im Jahre 1746 erworben. Dabei ist nicht alleine seine vollendete Ausführung bemerkenswert, sondern ebenso seine Anfertigung als Medium der Geschäftswerbung in der Form eines „Aushängeschildes“ des Pariser Kunsthandels. Schließlich hatte es Watteau als Werbetafel und eine „Fingerübung“ für einen Händler auf der Notre-Dame-Brücke in Paris angefertigt.
Im Zusammenhang mit dieser Entstehungsgeschichte des Kunstwerkes regt es Betrachter und Kunstwissenschaftler immer wieder zu Fragen an, die sich um die Vermarktung von Kunst seit dem 18. Jahrhundert, den Handel mit Kunstobjekten, das Sammeln selbst oder die stets inspirierende intellektuelle Auseinandersetzung mit Kunst beschäftigen.
Begleitend zur Ausstellung erschien im Hirmer Verlag ein gleichnamiger Katalogband, der sich sowohl der Entstehungsgeschichte des Werkes widmet und zugleich die zahlreich existierenden Fragen aufgreift, um das Faszinierende an diesem ungewöhnlichen Objekt der Kunst vor dem Hintergrund gesellschaftlich-sozialer Verhältnisse zu analysieren und zu diskutieren.
Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven haben sich die Autorinnen und Autoren dem Gemälde genähert. Zunächst werden die beiden Protagonisten des Pariser Kunstlebens vorgestellt. Diese sind Edme-François Gersaint (1694-1750) und Jean de Jullienne (1686-1766). Ohne diese beiden Männer hätte die künstlerische Bildsprache Watteaus womöglich nicht einen derartig großen Nachruhm und eine unverwechselbare ästhetische Wirkung entfalten können.
Der Jüngere der beiden war der aufstrebende Kunsthändler Gersaint, der ein Geschäft auf der Pariser Pont Notre Dame besaß. Nach dem Tode des Künstlers begann Gersaint die Werke Watteaus mit Hilfe neuer Werbemedien und -formate europaweit zu vermarkten. An seiner Seite befand sich Jullienne, Sammler und Förderer Watteaus. Ihre Idee, alle Zeichnungen und Gemälde Watteaus druckgraphisch zu reproduzieren, war so erfolgreich, dass bis heute nicht allein das berühmte einstige Ladenschild, sondern darüber hinaus bereits Watteaus Motive und Figurenensemble Betrachter und Kunstliebhaber mit den Bildwelten der Epoche verbinden. Die Edition der druckgraphischen Arbeiten, jene „Recueil Jullienne“, entwickelte sich zu einem „Prototyp einer modernen illustrierten Werksammlung“ und löste eine ausgesprochene Modewelle aus, die wirkungsmächtig europäische Sammler, Manufakturbesitzer und Gewerbetreibende beeinflusste. Watteaus Bildwelten inspirierten stilbildend die Hofmalerei ebenso wie das Kunsthandwerk in Preußen bis hin zu Wandschirmen, Tapeten, Fächern, Porzellanen und Bildteppichen á la Watteau in der friderizianischen Zeit.
Watteau war bereits zu Lebzeiten ein bedeutender Künstler, der die europäische Kunst studiert hatte, mit mythologischen Themen und Wissenszusammenhängen bestens vertraut war und unter seinen Zeitgenossen bewundert und geschätzt wurde. „Aus der Phantasie seines Hirns, seiner künstlerischen Eigenart, seinem ganz neuen Genius […] steigen tausend Märchenwelten auf“, schwärmte Edmond de Goncout in der Bewunderung der „galaten Paradiese“ Watteaus. Der Künstler erschuf mit den fête galante einen neuen Bildtypus, dessen Anblick bis heute eine verführerische Anziehung besitzt. So kreativ und innovativ der Künstler auch war, so war es die druckgraphische Reproduktion seiner Werke nach seinem Tod, die die Verbreitung seiner Motive in unvergleichlicher Weise beförderte, wie im Band anschaulich nachgewiesen wird.
Seine Figurenensemble und Motive zierten bald Porzellane und Fächer und avancierten zu populären Geschenken an königlichen Höfen. Wie facettenreich der Künstler war und in welcher Art er zur Stilikone wurde, dokumentieren die Beiträge des Bandes, indem zum einen die Vermarktungsstrategien der beiden genannten Protagonisten detailliert untersucht und zum anderen die Wirkungen auf die Kunstherstellung in Preußen betrachtet werden. Die Erfolgsgeschichte Watteaus kann nicht ohne den spezifischen Blick auf seine Wahrnehmung und seinen Nachruhm, nicht zuletzt initiiert durch König Friedrichs II. Sammlung, in Preußen erzählt werden.
Dass sich hinter der Kulisse der fête galante ein ganzes Zeitalter – vom Tode König Ludwigs XIV. ausgehend – wandelte, dokumentieren die Autorinnen und Autoren in ihren, an der neuesten Forschung ausgerichtenten Darstellungen, die auf überaus spannende Weise anhand von Watteaus „Ladenschild“ zu verfolgen ist. Das „Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint” mag nicht allein eines „der ungewöhnlichsten Gemälde des 18. Jahrhunderts“ sein, sondern die Beschäftigung mit diesem Kunstwerk vermittelt auf gelehrsame Weise europäische Kulturgeschichte, die in diesem reich illustrierten Band in wahrhaft genussvoller Art rezipiert werden kann. Was für ein zauberhaftes Geschenk für jede und jeden Kunstliebhaber!
ANTOINE WATTEAU
Kunst – Markt – Gewerbe
Hg. Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg
Beiträge von C. Alff, S. Evers, P. Fuhring, A. Moulinier, D. Ranftl, C. Vogtherr, F. Windt, E. Wollschläger
272 Seiten, 187 Abbildungen in Farbe
ISBN: 978-3-7774-3786-6
[…] Antoine Watteau war bereits zu Lebzeiten ein bedeutender Künstler, der die europäische Kunst studiert hatte, mit mythologischen Themen und Wissenszusammenhängen bestens vertraut war und unter seinen Zeitgenossen bewundert und geschätzt wurde. „Aus der Phantasie seines Hirns, seiner künstlerischen Eigenart, seinem ganz neuen Genius […] steigen tausend Märchenwelten auf“, schwärmte Edmond de Goncout in der Bewunderung der „galaten Paradiese“ Watteaus. Der Künstler erschuf mit den fête galante einen neuen Bildtypus, dessen Anblick bis heute eine verführerische Anziehung besitzt. mehr lesen […]