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Buchtipp: Goethes Haus am Weimarer Frauenplan

Cover für Goethes Haus am Weimarer Frauenplan

Wer Weimar besucht, besucht Goethes Haus am Frauenplan. Wenn sicher nicht jede und jeder Kulturreisende sich das Haus von innen anschaut, nimmt sie oder er die Fassade wahr, betrachtet und würdigt damit den Ort, in dem der Dichter zunächst als Mieter, dann als Besitzer und Eigentümer fast fünfzig Jahre lebte und wirkte. 1709 im Auftrag des Weimarer Unternehmers Georg Caspar Helmershausen erbaut, erwarb es Herzog Carl August 1792, um es seinem Freund zu überlassen und zu übereignen. Im Äußeren wechselte das Haus zwar nur die Farbe vom „barocken“ Hellblau zum „klassizistischen“ Gelb (S. 10), jedoch im Inneren veranlasste Goethe eine umfangreiche Umgestaltung. Goethe erdachte und konzipierte Raumfolgen und Bildprogramme, sogar eine neue Fassade, die am Haus nie verwirklicht wurde, zugleich anderswo in Weimar – kurioser Weise in der inzwischen nach Schiller benannten Straße – ihre Umsetzung erlebte.

So umfangreich und tiefgreifend wie Christian Hecht die verschlüsselte Bildsprache des Hauses mit der Person des Dichters und der geistigen Welt, die ihn prägte und die er so einflussreich mitgestaltete, betrachtet, wurde sie bisher nicht analysiert. Goethe veränderte die gesamte innere Struktur des Hauses, ließ Wände einreißen und somit neue Räume gestalten, beauftragte, wandfeste Bildwerke anzubringen und Skulpturen aufzustellen. Manchen zeitgenössischen Besucher befremdeten die Bildwerke, die Konzeption der aufeinander bezogenen Kunstwerke blieb unverstanden, die Aufmerksamkeit ihnen gegenüber war gering. Während das „Salve“ auf dem Boden jedem sofort auffiel – und inzwischen zum verständlichen Werbeträger für weite Kreise wurde -, waren Büsten, Statuen, Supraporten, Friese und gar das Deckenbildnis der Iris im Treppenhaus oft nicht wahrgenommen, nicht verstanden und missdeutet worden. Des Weiteren fallen ungewöhnliche Bauformen und Motive der bildnerischen Kunstwerke auf, die der Erklärung bedürfen. Erst die kritische Forschung und Analyse mit Vergleichen und Gegenüberstellungen lässt das ikonografische und gestalterische Projekt des Hauses über die biografisch-poetische Annäherung in aufschlussreicher Weise erfassen. Obendrein werden die Zerstörungen, Verluste und Übermalungen dazu in Beziehung gesetzt, um Goethes Konzeption dergestalt herauszuarbeiten. Der Autor ging auf eine regelrechte Spurensuche, die quer durch Europa, vor allen nach Italien, und durch Goethes Leben führt und die Bilderwelten Goethes lebendig macht.

Christian Hecht entfaltet in diesem 220 Seiten umfassenden und mit 130 farbigen Abbildungen illustrierten Band die geistige Welt Goethes anhand seiner oft überaus subtilen Bildprogramme, die seine umfangreichen Kenntnisse der antiken Mythologie und Kunst dokumentieren, aber auch von seiner Freundschaft zu Herzog Carl August berichten und ebenso seine persönlichen Ansprüche als Hausherr in den Repräsentationsräumen wie im Rückzug ins Private erkennbar werden lassen. Wie durchdacht und konzeptionell reflektierend Goethe wirkte, veranschaulicht Christian Hecht, indem er Kapitel für Kapitel betrachtend um und durch das Haus schreitet. Von der barocken Fassade geht es ins Innere über das Treppenhaus, in die Empfangsräume und folgerichtig zu Goethes geplanter „Hausverblendung“. Die privaten Räume, die doch heute so viele interessieren, stehen hier nicht zur Disposition, schließlich hatte Goethe sie nicht für die Öffentlichkeit, sondern für seine Arbeit und seine Familie bestimmt.

Dass das Goethe Haus am Weimarer Frauenplan ein Pilgerort der deutschen Klassik ist, mag niemand bezweifeln. Dass das Haus selbst in so exzeptioneller Weise die schöpferische Kraft und das persönliche Empfinden Goethes verkörpert, kann der Autor Christinan Hecht in ebenso akribisch erforschten Darlegungen wie in wunderbar lesbar präsentierter Art zeigen. Er stellt diesen Bau als eine „Goethesche Architektur“ (S. 10) vor, wobei die zahlreichen Abbildungen und die vielen ganzseitigen Darstellungen es den Lesenden und Betrachtenden leicht machen, sich in die Raumwelten einzufinden. Es ist bemerkenswert, wie Christian Hecht dieses Kunstwerk Goethes lesbar werden lässt. Die Absicht des Autors, eine „Kunstgeschichte des Goethischen Hauses“ zu präsentieren, ist nicht nur in hervorragender Weise gelungen, sondern nährt den Wunsch, so wissend unterwiesen, sich unverzüglich zu einem erneuten Besuch nach Weimar zu begeben.

GOETHES HAUS AM WEIMARER FRAUENPLAN
Fassade und Bildprogramme
Christian Hecht
220 Seiten, 130 Abbildungen in Farbe
Verlag HIRMER
ISBN: 978-3-7774-3654-8

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