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Buchtipp: Schach dem König

Über den preußischen König Friedrich II. gibt es zweifellos eine umfangreiche Literatur. Seine Persönlichkeit scheidet die Geister. Die einen anerkennen seine aufklärerischen Ideen und die anderen verurteilen seine aggressive Machtpolitik, die unzählige Menschen in Krieg, Gewalt und Verzweiflung stürzte. Dem Bild dieser ambivalenten historischen Person fügt Hans-Peter Kunisch eine weitere Facette hinzu, die Friedrich II. in einer bemerkenswerten Freundschaft zu Albert von Hoditz präsentiert.
Die Darstellung dieser Beziehung zwischen zwei außergewöhnlichen Individuen offenbart zugleich mit der Annäherung an einen überaus spannenden Mann einen Blick in einen längst vergangenen Garten, der einst der Versuch gewesen sein muss, jenes verlorene Paradies wieder zu gewinnen. Dem Autor gelingt es in dieser Annäherung ein erkenntnisreiches Bildelement einer Epoche zu zeichnen, das zeigt, wie Gartenkunst Kulturgeschichte der Menschheit erfahrbar machen kann.

Wer war dieser Albert von Hoditz, der 1706 in Rosswald geboren wurde und 1778 in Potsdam starb, wo er die letzten beiden Jahre als Freund des Königs verbracht hatte? Also jenes philosophischen Kriegerkönigs, der mit beißendem Spott manche seiner als Freunde an den Hof gereisten Männer vertrieb. Der Autor hatte sich ursprünglich auf eine familiäre Spurensuche begeben, fuhr wiederholt nach Rosswald, einen Ort, der einst in der hart umkämpften Grenzregion zwischen den Herrschaftsterritorien Österreich und Preußen lag – und entdecke eine Geschichte, die es sich näher anzuschauen lohnt. Ja, die geradewegs das Potential besitzt, Fragen aufzuwerfen und manche als gesichert geltenden Erkenntnisse in Frage zu stellen.
Der Autor besuchte das zu jener Zeit vom Grafen Hoditz besessene Schloss samt Garten, den dieser Mann des Friedens, der Lebenskunst und der sinnlichen Genüsse, zu einem „Arkadien in Mähren“ machen wollte oder vielleicht wirklich für einen Augenblick der Weltgeschichte machen konnte. Oder zumindest, was davon durch die Zeitläufte hinweg gerettet worden ist. So ambitioniert und fantasievoll der Graf war, so unkonventionell und exzentrisch mag er den Zeitgenossen ebenso wie uns Nachgeborenen gelten. Er ließ seine Mägde und Knechte zu arkadischen Schäferinnen und Schäfern werden, die singend und rezitierend Auge und Ohr erfreuten, und so manchen neugierigen Gast anlockten.

Der Autor folgt den Spuren des Grafen, findet die Bücher, die ehedem in seiner Bibliothek standen, erzählt von der Frau des Grafen, von seiner Lust an der Schönheit und lässt ihn auf diese Weise historisch fassbar werden. Im Fokus der Darstellung stehen die beiden Besuche des Preußenkönigs in Rosswald, wobei der erste nur kurz und der zweite mit einem vom Grafen ausgerichteten Fest begangen wurden. Ein Fest, das sich zur Legende formte, denn hier spielten der König und der Graf mit lebenden Figuren Schach und der Graf führte den König in seinen Serail aus Dorfmädchen. Die Erlebnisse dieser imponierenden Begegnung inspirierten den König zum Verfassen eines briefähnlichen Gedichtes, welches spätere Editoren teilweise zensierten. Allein schon dieser Umstand wirft Fragen auf und schürt die Neugier. Erkannte der König im Rosswalder Lebensgenuss sein allein in Träumen erdachtes Spiegelbild? Fühlte sich Lancelot im Rosswalder Garten im Traum erwacht?

Hans-Peter Kunisch erzählt lebendig auf der Grundlage langjähriger eingehender Recherchen und es gelingt ihm, die Leserschaft in den Bann dieser faszinierenden Persönlichkeit zu ziehen. Dabei bietet diese gelehrte Spurensuche so viele Anhaltspunkte, die die Epoche der Aufklärung beleuchten und dessen Widersprüchlichkeit aufzeigen. Der König und der mährische Graf erweisen sich als Facetten einer gesellschaftlich diskutieren Sinnsuche, die unter anderem im Garten ihren symbolischen Ort gefunden hatte. In der Kontrastierung mit dem Grafen eröffnet dieses Buch einen erweiterten Blick auf Friedrichs II., der zum Nachdenken anregt und durchaus Überraschendes zu präsentieren weiß.

HANS-PETER KUNISCH

Schach dem König
Friedrich der Große und Albert von Hoditz. Eine ungewöhnliche Freundschaft
ISBN : 978-3-423-28409-7
288 Seiten
dtv Verlag

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