In der Tat, wahrhaftiger könnte ein Gärtnerleben nicht beschrieben werden als im Lauf der Jahreszeiten, im saften Aufkeimen des Lebens im Frühling bis hin zum Zurückziehen in die Erde, aus der alles Leben sprießt. Dabei ist die Biografie dieses Gärtners außergewöhnlich. Marc Hamer kam in Nordengland zur Welt und lebte mehr als 30 Jahre lang in Wales. Er war obdachlos, arbeitete bei der Bahn und studierte Kunst in Manchester und Stoke-on-Trent. Ein neuer Lebensabschnitt begann als er in Kunstgalerien arbeitete und Creative Writing in Gefängnissen unterrichtete, bevor er schließlich seinen Weg in den Garten fand.
Mit dem 415 Seiten umfassenden und von Brigitte Heinrich aus dem Englischen übersetzten Buch „Vom Blühen und Vergehen. Ein Gärtnerleben“ ist es Marc Hamer auf sehr einfühlsame Weise gelungen, der Natur seine Liebe zu gestehen. Die Kapitel des Buches sind in die Monate des Jahres unterteilt, wobei jedes Kapitel wiederum aus mehreren Unterkapiteln besteht. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat folgen die Lesenden seinen Schritten durch den Garten.
In stillen Betrachtungen wendet sich Hamer seinen Pflanzen zu, beobachtet ihr Wachstum, erklärt kenntnisreich gärtnerische Belange und kehrt immer wieder zurück ins Jetzt seines Lebens wie ins Vergangene. Es ist zum einen der gärtnerische Alltag der das Leben des Autors bestimmt und zum anderen sind es die Reflektionen über die allumfassenden Abläufe in der Natur. Pflanzen und Tiere umgeben ihn und irgendwie verbinden sich die Existenz all derer, die im Garten leben, miteinander. Lesend nähert man sich ihnen, ist mitten im Beet, betrachtet die Tulpen und Pfingstrosen, dann wieder reist der Autor in seinem Leben zurück, oft inspiriert durch einen Blick in die Natur, erzählt über seine Lektüren, die Beschäftigung mit Yoga, seine Zeit in den Bergen.
Am Ende der Lektüre ist so eine ungewöhnliche, vertraute und behutsame Nähe zwischen dem Schreibenden und demjenigen, der hier Anteil an einem anderen Leben nimmt, entstanden. Fast als würde man sich Auge in Augen gegenüberstehen. Liegt das am Garten? Kann ein Garten über Zeiten und Räume hinweg Individuen verbinden? Dieses Buch berichtet in leisen Tönen von einem Leben, das sich nach all den Jahren der Suche und des Bewegens im Garten eingefunden hat, der auf eine ganz andere Art und Weise bewegtes Leben darstellt, auch wenn es bei einem flüchtigen Blick den Anschein erweckt, ein Garten sein immer da. Ein wunderbares Buch eines Lebens, berührend und inspirierend zugleich.
Marc Hamer
Vom Blühen und Vergehen
Ein Gärtnerleben
415 Seiten
978-3-458-64291-6