Als Apothekerrose hatte sie Jahrhunderte lang ihren großen Auftritt: Rosa gallica ‘Officinalis’. Menschen nutzten ihre Kräfte zum Heilen und Schützen. Der Name Apotheker- oder Essigrose verweist deutlich darauf. Als kleiner, kompakt wachsender Strauch mit schönem dunkelgrünen Laub, wenig Stacheln und recht großen, halbgefüllten Blüten, die wundervoll in einem markanten Rot leuchten. Man könnte es auch Purpurrot nennen, um den Unterschied zu dem mit Orange vermischten Farbton, der die seit dem 19. Jahrhundert so beliebten Kulturrosen ziert, hervorzuheben. Sie verbreitet sich liebend gern durch wuchskräftige Ausläufer. Zugleich ist sie der Ursprung für zahlreiche noch existierende Alte Rosen der Gallica Gruppe, die noch in manchem Rosarium zu bewundern sind. Da sie nur einmal blüht, ist sie mit dem Aufkommen der Kulturrosen leider etwas in Vergessenheit geraten.
An der Seite der zarten Lilien sind die Rosen an den ersten beiden Stellen in der Krongüterverordnung Karls d. Gr. zu finden: einmal Rosa alba und natürlich Rosa gallica. Zahlreiche Heilmittel enthielten Rosenwasser, Rosenöl und getrocknete Rosenblätter, damit sie Herz und Kopf stärken und so gegen allerlei Ungemach helfen sollten. Rosen galten als die wirksamste Medizin mancher Zeiten und wuchsen zweifellos in jedem Klostergarten. Bereits Plinius zählte 32 Heilmittel auf, die aus Rosen herzustellen waren. So soll jedes dritte Heilmittel Rosenbestandteile enthalten haben. Geschätzt wurden auch die Vitamin C enthaltenen Hagebutten. Zugleich waren Rosenessenzen bereits in der Antike auch ein gern verabreichter Liebestrank – war die Rose doch auch das Symbol der Liebe in Gestalt der Göttin Venus.
Zusammen mit ihrer weiß blühenden Gefährtin, der Rosa alba, begleitete die rote Rose die Menschen auf berührende Art. Die weiße und die rote Rose waren Marienpflanzen und symbolisierten Mariens Freuden, ihre Jungfräulichkeit (weiß) ebenso wie ihre Schmerzen und verwiesen auf das Leiden Christi (rot). Im Märchen halten beide als Schneeweißchen und Rosenrot schwesterlich zusammen und werden dafür mit zwei liebenswerten Prinzen belohnt. In England war sie als “Red Rose of Lancaster” das Symbol für einen schrecklichen Krieg, wobei ihre weißblühende Gefährtin als Symbol für das gegnerische House of York dienen musste.
In Stein gehauhen, in Holz geschnitzt, auf Leinwand gemalt und in Keramik gebrannt, in feine Stoffe gestickt und in Liedern besungen, verzaubern sie bis heute. Wenn die Minnesänger die Schönheit der Geliebten mit einer Rose verglichen, werden sie eine rotfarbige Blüte vor Augen gesehen haben. Ob Königin, Magd, Ritter oder Knecht, Bauer oder Bettelmann – sie werden sie alle auf irgendeine Weise gesehen haben, vielleicht ließ ihr feiner würziger Duft die Betrachter für Momente die Mühsal des Lebens vergessen.
Gerda Nissen hat sie in norddeutschen Dörfern und ländlichen Friedhöfen entdeckt und bewundert. Inzwischen wissen sie viele Gartenliebhaber*innen wieder zu schätzen. Wenn Sie eine Rosa Gallica haben, teilen Sie sie, mehren Sie die Freude alter Zeiten und erinnern sie damit an unsere alte und zugleich zeitlos schöne Begleiterin.