Wenn der Herbst bunte Farben anrührt und alle paar Tage damit neue Bilder im Garten malt, haben auch die Bergenien ihren großen Auftritt. Da verwundert es nicht, dass Gertrude Jekyll die unkomplizierten Bergenien zu ihren Lieblingspflanzen zählte.
Manche ihrer Zeitgenossen hat das gewiss verwundert. Schließlich waren im späten 19. Jahrhundert „Teppichbeete“ mit allerlei Exoten sehr in Mode, jene nach stoffähnlichen Mustern aus einjährigen Gewächsen bepflanzte Rabatten. Gertrude Jekyll (1843-1932) hielt dagegen und setzte selbst einen Trend. Inspiration lieferten ihr die Kunst wie die Natur.
Gertrude Jekyll hatte Malerei studiert und sich in verschiedenen Kunsthandwerkstechniken ausprobiert, liebte das Werk des englischen Malers William M. Turner und sollte bald neben dem begeisterten Gartenenthusiasten William Robinson zu einer Institution in Fragen der Gartengestaltung in Großbritannien werden. Voller Bewunderung schätzte sie Turners Meisterschaft, Licht und Farben der Natur einzufangen. Befreundet war sie mit zahlreichen Künstlern und Schriftstellern der Arts-and-Craft-Bewegung. Auf Reisen nach Italien, Griechenland und Algerien entdeckte sie die Farbigkeit der südlichen Pflanzenwelt, die sie fortan in die englischen Landhausgärten einfügte.
Als sie mit Mitte Vierzig den 19-jährigen Architekten Edwin Lutyens kennen lernte, entwickelte sich aus dieser Begegnung eine Freundschaft und eine außergewöhnliche Arbeitsgemeinschaft. Das Duo Lutyens und Jekyll setzte Haus und Garten als Einheit in Szene. Eine ländliche Architektur mit dem dazugehörigen ländlichen Garten, wobei heimische Materialen und traditionelle Handwerkstechniken verwendet wurden. Anstelle der modischen Exoten sollten einheimische Pflanzen, Sträucher und Bäume in harmonischen Kombinationen rings um das Haus Stimmungen schaffen. Mehr als 100 Projekte wurden Realität. Was für viele unverständlich war, da der führende Geschmack dieser Epoche durch den Historismus bestimmt wurde.
Das Erstlingswerk beider entstand mit Munstead Wood, ihrem eigenen Stück Land in Surrey. Dabei setzte sie hier erstmals die Idee einer jahreszeitlichen Staffelung der Pflanzen im Raum um. Das Konzept ist so einfach wie wirkungsvoll. Vom Fenster aus sichtbar, also in der Nähe des Hauses, stehen Winterblüher, wie Zaubernuss, Winterlinge, Christrose und Schneeglöckchen. Etwas weiter entfernt, werden die Frühblüherzwiebeln gesetzt: Hyazinthen, Märzenbecher, Krokusse, Narzissen und Tulpen. Im Zentrum des Gartens sind farbenfrohe Sommerblumen arrangiert: Rosen, Rittersporn und Frauenmantel. Am Rande des Gartens, wo sie die tief stehende Herbstsonne zum Leuchten bringt, stehen Herbstblumen wie Astern, Dahlien und Chrysanthemen.
“A Lutyens house with a Jekyll garden” – das wurde nun zu einem Must-have der gartenbegeisterten Briten in der Edwardian Zeit. Wenn auch nicht mehr viele dieser formvollendeten Kombinationen die Zeitläufte überlebt haben, so mögen die Gartenschöpfungen Gertrude Jekylls bis heute zu begeistern und inspirieren. Wie diese Gartenerinnerung mit Wollziest, Frauenmantel, Sibirischer Schwertlilie und dem Rosenbusch zeigt.